Inklusive Sprache ja, aber wie?

Viele Menschen in meinem Umfeld reagieren genervt auf die Gender-Frage. Sie ist eben auch nicht so einfach zu beantworten. Wir alle möchten respektvoll behandelt und angesprochen werden, hier sind sich die meisten einig. Aber wie gelingt das? In diesem Kurzbericht findet ihr einen Überblick meiner Recherchen zu verschiedenen Aspekten sowie ein Fazit inklusive Kurzanleitung.

Gendergerechte Sprache

Die Inklusive Sprache bezeichnet einen Sprachgebrauch, der in Bezug auf Personenbezeichnungen die Gleichbehandlung aller Geschlechter zum Ausdruck bringen möchte. Um zu verdeutlichen, dass neben weiblichen und männlichen auch intergeschlechtliche und nichtbinäre Personen einbezogen werden, setzt sich zunehmend die gendergerechte Sprache durch.

Demografischer Standpunkt

Bei 80’000 Geburten in der Schweiz im Jahr 2022 haben ca. 20-100 Personen keine eindeutigen Geschlechtsmerkmale, das sind ca. 0.025-0.125%. Sie werden als intergeschlechtlich bezeichnet. Zu unterscheiden sind Menschen, die sich als nichtbinär bezeichnen, was nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat.

Gesetzliche Grundlagen

Im Jahr 1981 wurde der Grundsatz der Gleichstellung der Geschlechter in die Bundesverfassung aufgenommen. Seit dem Inkrafttreten des Sprachengesetzes vom 5. Oktober 2007 ist der Grundsatz der sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter auch im Gesetz verankert. Personen werden ab dem Zeitpunkt der Geburt im Personenstandsregister als „männlich“ oder „weiblich“ eingetragen. Es ist nicht zulässig, den Eintrag offen zu lassen oder eine weitere Geschlechtskategorie zu wählen. Seit dem Jahr 2022 können Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklung ihr Geschlecht und ihren Vornamen im Personenstandsregister ändern. Im selben Jahr hat der Bundesrat entschieden, kein drittes Geschlecht einzuführen. Der Bund hält sich an den Leitfaden zum gendergerechten Formulieren vom 8. März 2023.

Anders sieht die Situation im nahen Ausland aus: Der Geschlechtseintrag „divers“ bildet seit 2018 in Deutschland und seit 2019 in Österreich eine weitere rechtliche Option neben „weiblich“ und „männlich“, die nach dem Willen der jeweiligen Gesetzgeber ausschliesslich intergeschlechtlichen Personen ermöglicht wurde.

Die Europäische Menschenrechtskonvention verpflichtet Staaten nicht, in behördlichen Unterlagen ein drittes Geschlecht einzuführen. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2023 in Strassburg entschieden.

Sprachliche Korrektheit

Die deutsche Sprache bietet eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren, wobei es zurzeit (noch) keine Norm gibt. Gemäss Duden gibt es verschiedene Optionen:

  • Geschlechtsneutrale Ausdrücke: Mensch, Person, Mitglied, Gast
  • Sachbezeichnungen: Staatsoberhaupt, Leitung, Kollegium
  • Substantivierungen: Teilnehmende, Studierende, Gewählte, Verwitwete
  • Doppelnennungen: Kolleginnen und Kollegen
  • Kurzformen: Kolleginnen/Kollegen, Mitarbeiter/-innen, Direktor/-in

Ein Nachteil der Doppelnennung und der Kurzformen ist, dass sie keine dritte Option enthalten, wie sie in Deutschland für zulässig erklärt wurde. Vom amtlichen Regelwerk nicht abgedeckt sind Schreibweisen wie die folgenden:

  • Genderstern: Schüler*innen
  • Binnen-I: SchülerInnen
  • Gender-Gap (Unterstrich; Doppelpunkt): Schüler_innen; Schüler:innen
  • Schrägstrich ohne Ergänzungsstrich: Schüler/innen

Die Variante mit Genderstern setzt sich in der Schreibpraxis immer mehr durch. Zu finden ist sie besonders in Kontexten, in denen das Geschlecht nicht mehr nur als weiblich oder männlich verstanden wird und die Möglichkeit weiterer Kategorien angezeigt werden soll.

Philosophische Betrachtung

Barbara Bleisch, eine Schweizer Philosophin, Journalistin und Autorin, empfiehlt in der SRF-Sendung Bleisch & Bosshart, sich in der Gender-Debatte auf Argumente zu konzentrieren und emotionale Zwischentöne möglichst wegzulassen. Die Sprache spiegelt ihrer Meinung nach eine soziale Realität wider und die aktuelle Bewegung sieht sie produktiv, denkerisch und philosophisch als Herausforderung.

Kulturelle Aspekte

Neben den gesetzlichen Grundlagen und der sprachlichen Korrektheit spielt auch der kulturelle Hintergrund eine wichtige Rolle: Wer kommuniziert mit wem in welchem Umfeld? Die Sprache unterscheidet sich von Land zu Land, von Kanton zu Kanton, von Firma zu Firma, von Person zu Person und passt sich der jeweiligen Kultur an und bringt deren Identität zum Ausdruck.

Fazit und Kurzanleitung

Erst im Alter von ca. Mitte Dreissig habe ich – im Zusammenhang mit dieser Debatte – erfahren, dass es intergeschlechtliche Menschen gibt. Im SRF-Bericht vom 16. Februar 2023 mit dem Titel Intergeschlechtlich – körperlich weder Mann noch Frau wird deutlich, wie schambehaftet der Gedanke sein muss, nicht zur Norm zu gehören. Inklusion ist meiner Meinung nach der einzig richtige Weg, und respektvoll und wohlwollend darüber zu reden ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Jede Person bezieht Stellung zur Sprache, sobald sie spricht oder schreibt, ob gewollt oder ungewollt. Es lohnt sich daher, sich damit auseinanderzusetzen, eine eigene Meinung zu bilden und diese von Zeit zu Zeit zu überprüfen.

Nach meiner Recherche habe ich mir folgende Kurzanleitung für meine Texte zugelegt:

  • Ein Geschlecht betroffen: geschlechtsspezifisch schreiben
  • Mehrere Geschlechter betroffen: Doppelnennungen verwenden
  • Falls unleserlich: geschlechtsneutrale Begriffe einsetzen oder umschreiben
  • Genderzeichen: einsetzen in Kontexten, in denen das Geschlecht nicht nur als weiblich oder männlich verstanden wird

Fällt mir kein geschlechtsneutraler Ausdruck ein, lasse ich mich von Geschickt Gendern inspirieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert